Lalish Theaterlabor
Forschungszentrum für Theater und Performance-Kultur
im herkömmlichen Sinn dieses Wortes machen,
sondern wir unternehmen eine Reise.
Diese Reise ist ein Prozess der Selbsterkenntnis,
der Selbstäußerung in einem feierlichen Akt“
Shamal Amin
Eigene Wege, Performance und Forschungsziele
„Der Weg unserer Laborarbeit führt zur Entdeckung einer neuen Verbindung aus Stimme, Bewegung und dem Leben als ganzes. Die Aufhebung der Trennung zwischen Kunst und Leben, zwischen den ästhetischen und alltäglichen Werturteilen, ist ein entscheidender Faktor für alle unsere Forschungsprojekte “ Shamal Amin und Nigar Hasib
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Nach ihren, von 1985 bis 1991 im Nahen Osten durchgeführten experimentellen Forschungsprojekten am „Kultur- Physischen Konzept" und der "Erforschung Performativer Kultur und ihrer Techniken", von 1992 bis 1999, in Europa, haben Shamal Amin und Nigar Hasib, zwei extraordinäre Künstler aus Kurdistan, 1998 in Wien das Lalish Theaterlabor gegründet, ein experimentelles Zentrum für Ritualforschung und interkulturelle Performancearbeit, um letztlich der Frage nach dem „Anwesenden Körper in Raum und Zeit“ und der „Quelle der Feierlichkeit" nachzugehen.
Im Juni 2000 eröffneten sie dann ihr eigenes Zentrum (Theaterraum), als einen Ort der Suche nach körperlich-rituellen Elementen, um einen energetischen Körper statt eines motorischen Körpers zu schaffen, und zur experimentellen Erforschung der „Feierlichkeit“ und des Ritualisierungsprozesses. Ein Ort, an dem sie mit ihrem Ensemble und Mitforschern, sowie mit Angehörigen verschiedener Kulturen, deren Fragestellungen in neuen Experimenten nachgehen können. Der eigene Theaterraum des Lalish Theaterlabors wurde mit finanzieller Unterstützung des Kulturamts der Stadt Wien umgebaut und renoviert. Von 2000-2003 widmete sich die Forschungsarbeit des Lalish Theaterlabors dem Konzept "Aufbruch zur Quelle der Feierlichkeit" und dem Prozess "Kreativ-Natur".
Impliziert in die Forschungsarbeit sind Fragen wie: "Wie entstehen ein ritueller Rahmen, der die Wahrnehmung der Zuschauer lenkt und eine körperliche Einheit, die einen ‚Anwesenden Körper in Raum und Zeit‘ schafft?", und auch die Entwicklung von Techniken, die Zugänge zu solchen Potentialen schaffen. Die rituellen, experimentellen Stimm- und Gesangstechniken und selbst komponierten Lieder dieser Phase, bildeten einen wesentlichen und zentralen Aspekt der Forschungsarbeit des Lalish Theaterlabors. Diese Stimm- und Gesangstechniken wurden im Bezug auf die jeweilige Forschungsarbeit verändert, bewegten sich aber stets in einem Rahmen grundlegender Prinzipien.
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Von 2003 bis 2006, mit der neuentwickelten methodischen Arbeit „Stimmanthropologie“ von Shamal Amin unter der praktischen Leitung von Nigar Hasib, erweiterte das Lalish Theaterlabor seine experimentelle rituelle Performancearbeit mit dem Prozess „Lieder als Quelle“. Lieder werden hier zur Quelle des Rhythmus, der physischen Präsenz und zur Quelle der Handlung. Somit werden Lieder nicht nur gesungen, sondern getan. Shamal Amin nennt diesen Prozess „Lieder sichtbar machen“. Entscheidend für die Wichtigkeit der Stimme und des rituellen Gesangs in diesem Prozess ist, wie Nigar Hasib es bezeichnet: „...dass sich die Multidimensionalität des Raumes über das Hören von Stimmen, Tönen und Klängen vermittelt und sich so ein Raumgefühl und ein Raumbewusstsein bei allen Anwesenden entwickeln kann.“
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Mit dem Forschungsprojekt 2006 - 2011 „no shadow“, und der Weitererforschung der „Lieder als Quelle“, widmet sich das Lalish Theaterlabor, in Performance, der heute weitgehend vergessenen archäologischen Suche nach der menschlichen Stimme, nach ihrer Wirkung und ihren individuellen und kulturellen Ursprung. Mit diesem Forschungsprojekt versuchen Nigar Hasib und Shamal Amin eine eigene mittelbare und künstlerische Sprache zu entdecken, die außerhalb des linguistischen Zeichensystems steht. Diese neue, nicht-linguistische Sprache besteht aus Silben, Klängen, Tönen und Lauten, deren Quellen aus verschiedenen Kulturen entspringen und die es dadurch auch ermöglichen, einen frischen Kommunikationsweg in Performancearbeit einzuschlagen. Shamal Amin nennt diese neue Arbeitsphase des Lalish Theaterlabors „Aufbruch zur abstrakten Feierlichkeit“:
„Wir schaffen einen fließenden Raum, in dem die Stimme und Lieder zu Lust werden. Die Stimme ist einer Handlung ähnlich, mit der man immer etwas Neues weiter entdecken kann.“ Diese neue, nicht-linguistische Sprache der Performancearbeit des Lalish Theaterlabors, unterscheidet sich deshalb grundlegend von den heutigen, sogenannten künstlerischen Sprachen des vorherrschenden Welttheaters, die sich konventionell mit Dingen, Gegenständen, Geschichten und Repräsentation auseinandersetzen.
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Shamal Amin und Nigar Hasib versuchen immer einen leeren Raum zu schaffen, der durch Stimme und Bewegung erfüllt wird. Ein Raum, in dem die Umgebung zu einem „Überall und Nirgends“ – zu einem Ritualort wird und die Zeit sich in ein „Immer und Nie“ – in eine Ritualzeit verwandelt.
In den experimentellen rituellen Performancearbeiten des Lalish Theaterlabors werden Lieder und Stimme nicht zur Vertiefung von dramatischen Handlungen eingesetzt, oder um zwei Szenen miteinander zu montieren, oder um zu versuchen den Inhalt eines Liedes zu verkörpern. Es werden auch keine Lieder für bestimmte Anlässe oder zu passenden Situationen gesungen. „Lieder als Quelle“ im Lalish Theaterlabor überschreiten alle diese Grenzen und dekonstruieren solche Techniken.
Nigar Hasib beschreibt diesen Prozess: „Lieder schaffen unsere Handlungen aber unsere Handlungen interpretieren nicht lexikalisch unsere Lieder. Somit hat jedes Lied, jede Stimmaktion, in ihrer Art, eine präzise Bewegungspartitur für den Körper. Der Körper handelt unmittelbar mit dem ‚Leben der Töne’, und sein Tun bleibt nicht nur rein technisch, sondern wird organisch. Bei dieser Art zu Handeln wird der Körper nicht ein Teil der Stimme, und die Stimme nicht ein Teil des Körpers, sondern Stimme und Körper bilden eine Einheit, weil eben diese Einheit die Quelle der Äußerung ist.“
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Auf diesem Weg konnte das Lalish Theaterlabor die Grundstruktur des westlichen Theaterkonzepts aufheben und sein eigenes Konzept entwickeln. Die Ablehnung der „Autorenschaft“ und die Dekonstruierung der Begriffe wie „Regisseur“, „Schauspieler“ und „Aufführung“ gelten als Übergang zur Entwicklung neuer Wege der Performancearbeit. Die Begrifflichkeiten des Lalish Theaterlabors wie „Teilnehmender Beobachter“, „Feiernde“, „Performative Treffen“, anstatt „Regisseur“, „Schauspieler“, „Aufführung“, sind keine linguistischen Wechselspiele, sondern mit der Arbeitsstruktur und dem Forschungsprozess eng verbundene Ausdrücke.
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Performance und Forschungsprojekte des Lalish Theaterlabors
in Österreich, Gastspiele und Teilnahme an Internationale Festivals
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Ziel des Lalish Theaterlabors ist ein transkultureller Austausch und die Schöpfung eines "Anwesenden Körpers in Raum und Zeit" durch die Erforschung der Körper- und Stimmtechniken nordmesopotamischer, ost- und südostanatolischer Performance-Kultur, sowie westlicher Performance-Kultur/Kunst, um neue Performancewege zu ermöglichen. Dabei handelt es sich aber nicht um die Suche nach einer bestimmten Identität des Individuums, sondern nach dessen verschiedenen Identitäten. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Ritualisierung der Kritik in dieser globalisierten Zeit und die Weiterentwicklung ritueller Grundelemente in der Performancearbeit. Dies nicht nur in bezug auf den Gebrauch dieser Elemente als Instrumente für den Kontakt und die Kommunikation, sondern als Versuch, das erstarrte Konzept und den maschinellen Rationalismus des Zentralismus zu überschreiten und zu dekonstruieren.
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"Wir schaffen keinen heiligen Raum, wir wollen zusammen hier und jetzt feiern"
Shamal Amin
In Bezug auf diese Methode wird den Raum im Lalish Theaterlabor gestaltet, in dem alle Anwesenden sich befinden. Es gibt keine Trennlinien zwischen den Anwesenden (PerformerInnen und ZuschauerInnen), der ganze Raum ist Aktionsraum. Diese Raumausstattung betont, dass es kein Wir/Andere, kein Hier/Dort, Drinnen/Draußen gibt, sondern nur Wir im Hier und Jetzt, und so wird eine aktive Interaktion hervorgerufen. Ein Raum, der keine Geheimnisse bewahren kann, ihn kann keiner für sich allein beanspruchen. Jeder ist anwesend, hier wird nichts versteckt, alles geschieht vor den Augen der Zuschauer. Hier bleibt keiner ausgeschlossen. Anhand dieser Raumstruktur entwickelt sich auch andere Körperhaltungen und Geste, sowei andere Stimmtechniken und Töne bei den PerformerInnen, somit betrifft diese Kreisstartegie nicht nur die Anordnung des Publikums im Kreis, sondern auch die gesamte Performance und ihrer Techniken. Als wichtige Voraussetzung zum Übergang zu den Lalish Theaterlabor Projekten erweist sich die Kreistechnik als Strategie des Energieaustausches, des anwesenden Körpers in Raum und Zeit, und anderer Formen der Kommunikation.
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Die Lalish Forschungsprojekte wurden in Kurdistan, Irak, Iran, Ägypten, Tunesien, Jordanien, Syrien, Marokko, Österreich, Deutschland, Holland, England, Frankreich, Schweiz, Schweden, Dänemark, Polen, Griechenland, Kosovo, Ukraine, Bosnien Herzegowina, Bulgarien, Mazedonien und Japan durchgeführt und von verschiedenen Institutionen, internationalen KünstlerInnen, TheaterwissenschaftlerInnen und EthnologInnen als ein neuer Weg zur Performancearbeit und zum experimentellen Ritualisierungsprozess betrachtet.
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Jährliche eigene Forschungsprojekte in verschiedenen experimentellen performativen Treffen; „Interkulturelle Dialoge“ in der Form von internationalen Symposien, Vortragsreihen und Podiumsdiskussionen; Offenes Labor und Workshops mit eigenen Arbeitsmethoden; „Feierliche Stimm- und Körperarbeit“, „Wege zur Ritualisierung“ und „Lieder als Quelle“, mit Demonstrationen von Arbeitstechniken; Fotoausstellung von Forschungsprojekten; künstlerischer und wissenschaftlicher Austausch und Kooperationen; jährliche Tourneen durch Europa, Nordafrika und Asien; Herausgeben einer „Lalish-Zeitschrift“ für Forschungsprojekte des Lalish Theaterlabors.
Künstlerischer Austausch mit: Parate Labor, Walter Pfaff/ Schweiz, Frankreich; Bakhtiar Khan Zadeh, Aserbaidschanisches National Theater/ Baku; Workcenter of Jerzy Grotowski and Thomas Richard/ Pontedera, Italien; Kazuo Ohno, Butoh Tanz/ Yokohama und Hosho- Noh Theater/ Tokio, Japan; Jerzy Grotowski Center/ Wroclaw, Polen; mit Künstlern und Theaterensembles aus Afrika und dem arabischen Raum; ein besonderer methodischer Austausch mit zahlreichen ausgewählten, internationalen Theatergruppen und Künstlern an der 14th Session of ISTA (International School of Theatre Anthropology) unter der Leitung von Eugenio Barba im Grotowski Center, im April 2005 in Wroclaw, Polen. Sowie mit International Center for Performance Studies in Tangier/Marokko, Instabili Vaganti Company/Performing Arts Centre und Il Casale delle Arti in Sant' Agata de' Goti's in Italien, Loja Theatre Laboratory in Prishtina/Kosovo, Theater O in Deutschland, Theater Asou und Theater Feuerblau in Österreich.
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Die von Lalish Theaterlabor entwickelten Arbeitsmethoden „Rituelle Performancearbeit“ und „Lieder als Quelle“ und die darin angewandten Techniken konnten großes internationales Interesse auf sich ziehen. Offenes Labor, Workshop, Vorträge über eigene Methoden am Institut für Theater- Medien und Filmwissenschaft an der Univ. Wien/Österreich, Shinshu Universität in Matsumoto/Japan, Hochschule für Darstellende Kunst in Kairo/Ägypten, Kunst Fakultät in Prishtina/Kosova, Fakultät für Darstellende Kunst/Tehran Universität, Fakultät für Architektur und Theater/Azadi Universität, Soureh Universität für Theater, Fakultät für Theater und Film/Honar Universität/ in Iran.
Nominierungen und Awards:
1. Nominierung für das beste Ensemble mit der Performance "Ein Land aus Asche und Lieder" am 16th Cairo international festival for experimental theatre in Ägypten/Kairo 2004.
2. Ehrenpreis am XIIes Journées Théâtrales de Carthage in Tunisien 2005.
3. Award für beste Stimme "Sound of MESS 2009" für Performance "no shadow" am 48th MESS International Theatre Festival in Sarajevo/Bosnien Herzegowina 2009.
4. Spezial Award für das internationale Projekt am Iran international Festival of University Theatre 2007, 2008 and 2009.
5. Ehrenpreis am 17th Jordan international Theatre festival. Jordanien/Amman 2010.
6. Ehrenpreis am 6th International Festival of Liberal Theater/Amman Jordan 2011.
7. Award "Jacques Lacarriere" am 10th International Theatre Festival "Actor of Europe" in Mazedonien/Prespa Juli 2012.
8. Award "best voice and ritual performance" für "MONOS" am 5th Al-Toqous international Theatre Festival in Amman/Jordan, September 2012.
9. Ehrenpreis für Lalish Theaterlabor Arbeit am 5th und 7th Al-Toqous international Theatre Festival in Amman/Jordanien, September 2012 und 2014.